Wald, Wasser, Windenergieanlagen

22. Mai 2024

Im Verbreitungsgebiet des Mittleren Buntsandsteins in Nordhessen soll für zwei bestehende Tiefbrunnen ein Wasserschutzgebiet ausgewiesen werden. Da die Strömungsverhältnisse in dem sehr mächtigen und großräumigen Grundwasserleiter nicht hinreichend genau bekannt sind, soll das oberirdische Einzugsgebiet der Tiefbrunnen als Schutzgebiet ausgewiesen werden; dies unter der generell plausiblen Annahme, dass oberirdisches und unterirdisches Einzugsgebiet weitgehend identisch ist. Große Teile des Einzugsgebiets der beiden Tiefbrunnen werden von Waldflächen eingenommen.

In Hessen ist schon vor einigen Jahren politisch entschieden worden, für den Ausbau der Windenergienutzung in erheblichen Umfang geeignete Flächen im Staatswald auszuweisen. Das Einzugsgebiet der beiden Tiefbrunnen ist dabei sehr attraktiv, da hier in den Kuppenlagen Geländehöhen von über 500 m ü. NHN erreicht werden. Dementsprechend sind in den vergangenen Jahren in zwei Vorranggebieten eine größere Zahl von leistungsstarken Windenergieanlagen errichtet worden.

Vor dem Hintergrund der sehr erheblichen Waldschäden insbesondere durch den katastrophalen, Dürre-bedingten Borkenkäferbefall der Fichte ist dabei die Errichtung von Windenergieanlagen für die öffentlichen und privaten Waldbesitzer auch eine Möglichkeit, die dramatischen finanziellen Verluste durch die Waldschäden ökonomisch auszugleichen.

 

Die jetzt erfolgte Geländebegehung zur detaillierten Festlegung der Schutzgebietsgrenzen zeigt, dass das oberirdische Einzugsgebiet sich durch den Bau der Windenergieanlagen kleinräumig verändert hat. Ein große Rolle hierbei spielen die zu Forststraßen ausgebauten Zufahrtswege mit ihren begleitenden Randgräben. Da die Mehrzahl der neu errichteten Windenergieanlagen in Kuppenlage und damit in der Nähe der Wasserscheiden liegen, hat sich hier teilweise das oberirdische  Einzugsgebietsgrenze um über 100 m verschoben. Diese Beobachtung zeigt, wie stark der Ausbau der Windenergienutzung die Landschaft verändert. Im Hinblick auf die Grundwasserneubildung und -bewirtschaftung ist die Veränderung des oberirdischen Einzugsgebiets aber nicht als kritisch einzustufen, da kein Wasser „verloren“ geht. Im Detail verändert sich „nur“ die oberirdische Abflussrichtung für das nicht (direkt) versickernde Niederschlagswasser.

Der Betrieb von Windenergieanlagen in Trinkwasserschutz- oder Trinkwassereinzugsgebieten wird allgemein als weitgehend unkritisch gesehen, da moderne Anlagen kaum noch wassergefährdende Stoffe enthalten. Anders ist die Bauphase einzuschätzen, da hier in erheblichen Umfang in den Boden eingegriffen wird und insbesondere die für die Aufstellung der Anlagen benötigten Großkrähne Tanks mit mehreren Tausend Liter Dieselkraftstoff aufweisen. Dabei müssen in der Bauphase auch Tankfahrzeuge über die Forststraßen zu den jeweiligen Standorten fahren. Die insbesondere in Kuppenlagen weit verbreiteten flachgründigen Böden weisen nur eine geringe Rückhaltekapazität auf, so dass bei einem Ölunfall ein hohes Risiko besteht, dass Öl in den Kluftgrundwasserleiter gerät. Bei der Errichtung der hier zu betrachtenden Windenergieanlagen wurden für den Bau vor dem Hintergrund der bekannten Lage im Einzugsgebiet von Trinkwassergewinnungsanlagen umfangreiche Auflagen zum Schutz des Grundwassers festgelegt. Dabei muss aber allen Beteiligten klar sein, dass trotz solcher Auflagen immer ein Restrisiko eines schweren Ölunfalls verbleibt.

Davon auszugehen ist, dass in spätestens 20 Jahren ein „Repowering“ mit einem Rückbau der jetzt errichteten Anlagen und dem Neubau neuer, modernerer Anlagen erfolgen wird. Im Hinblick auf den Trink- und Grundwasserschutz stellt diese zu erwartende Bauphase dann wieder eine Phase mit deutlich erhöhtem Risiko dar; es sei denn, dass bis dahin auch Baugeräte elektrifiziert sind und damit hoffentlich nur wenig wassergefährdende Stoffe enthalten.

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